Wie alles anfing…

Wie üblich, bin ich abends noch eine Runde gelaufen. Aber schon noch wenigen Metern, der Puls war vielleicht bei 120 Schlägen/min, hat mein ganzer Brustkorb weh getan. Das zog sich hoch bis zu den Schultern (die sowieso immer verspannt sind) und nahm mir die Luft weg – Kurzatmigkeit.

Das ist ein ganz blödes Gefühl, so als würde jemand das Herz zusammenpressen. Richtig Einatmen kann man auch nicht.

Das kannte ich so nicht, auch nicht von meinem mich schon lange Jahre begleitendem Asthma oder meinen Halswirbel-Nacken-Problemen (HWS), die ich immer mal wieder aufgrund der Schreibtisch-Tätigkeit habe.

Ok, also kurz verschnauft, und wieder los. Dann ging es auch auf einmal wieder normal weiter: keine Luftnot, kein Engegefühl. Alles gut ?

Immer wieder Brustschmerzen

Wenn ich morgens zur Arbeit fahre, parke ich immer in der Tiefgarage meines Arbeitgebers. Und wie immer nutze ich NICHT den Aufzug, sondern laufe die 3 Stockwerke zu meinem Arbeitsplatz.

Nicht immer, aber immer wieder hatte ich dieses starke Druckgefühl in der Brust schon nach dem Treppensteigen (Puls bei ca. 100, ich habe einen Fitnesstracker). Das hat sich dann nach ca. 10 Sekunden wieder normalisiert, aber ein komisches Gefühl hatte ich schon, denn Asthma oder Muskelkater konnten das irgendwie nicht sein.

Ich entschied mich, das mal beim Hausarzt abzuklären.

 

Beim Hausarzt

1,5 Wochen später saß ich bei meiner Hausärztin, die ich super finde. Sie hört zu, erklärt gut, beantwortet alle Fragen (habe ich ständig) und plant vorausschauend.

Ich habe dann von meinen Symptomen berichtet, wurde abgehört, und ich habe ein Belastungs-EKG gemacht. Dabei bekommt man die üblichen Pfropfen an Brust und Hände geklebt und muss dann stufenweise Fahrrad fahren: 50 Watt, 100 Watt, 150 Watt, … jeweils immer 2 Minuten. Minütlich wird dann noch von einem/einer ArzthelferIN der Blutdruck gemessen.

Während des Fahrradfahrens hatte ich keinerlei Schmerzen oder Engegefühl in der Brust, aber bei 150 Watt meinte die Ärztin, dass ich aufhören solle, sie sieht schon etwas.

 

In der Tat zeigten sich sogenannte ST-Senkungen  mit deszendierendem Verlauf.  Hier wird das ganze gut erklärt.

Meine Ärztin meinte, ich solle das beim Kardiologen abklären, also einen Termin machen. Ich war zunächst geschockt und fragte ob es ernstliche Bedenken gäbe, da ich doch nächste Woche mit der Familie in den Sommerurlaub nach Gran Canaria fliegen wollte.

Da ich ja nicht mit einem unguten und besorgtem Gefühl in den Urlaub wollte, haben meine Ärztin und ich uns dazu entschieden Nägel mit Köpfen zu machen: Tasche packen und direkt ins Krankenhaus um das abzuklären und im Bedarfsfall gleich zu reparieren.

 

Im Krankenhaus

Gesagt getan, meine Frau fuhr mich dann – ziemlich überrascht – am 1. August mit gepackter Tasche ins Krankenhaus, genauer in das Helios Klinikum Siegburg.

Nach der Anmeldung (und 2h Wartezeit) wurde ich erst einmal untersucht:
Ein normales EKG wurde gemacht und ein Herzecho (Ultraschall des Herzens).
Beides sah unauffällig aus, aber ich hatte ja die Aufzeichnung des Belastungs-EKGs vom Hausarzt mit, und da meinte der aufnehmende Arzt, dass dies ziemlich eindeutig wäre, also da sicher eine Verengung der Herzkranzgefäße vorläge. Das würde man dann mit einem Herzkatheder überprüfen.

Ich kam dann in ein Zweibettzimmer auf eine sauber und recht modern wirkende Station, wo ich mich auch sehr gut aufgehoben und versorgt fühlte.
Mit meinem Bettnachbar, der ca. 15 Jahre älter war, kam ich ins Gespräch. Er war auch wegen seinem Herzen hier, und hatte dieselben Symptome wie ich: Stechende Brustschmerzen und Kurzatmigkeit bei sportlicher Aktivität. Allerdings kamen bei Ihm diese Beschwerden ab und an auch in Ruhe vor, also z.B. nachts. Sein Ruhe-EKG war aber normal, beim Belastungs-EKG ebenfalls ST-Senkungen.
Mein Bettnachbar hatte die Katheter-Untersuchung allerdings schon hinter sich und seine Herzkranzgefäße waren so verstopft, dass man ihm bereits 4 Bypässe in einer 4,5h OP gelegt hatte, inklusive Durchtrennen des Brustbeins und Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine (damit das Herz temporär still gelegt wird und nicht mehr schlägt).

Auch wenn mein Zimmergenosse es gut verkraftet hat (er wurde schon 5 Tage nach der OP aus dem Krankenhaus entlassen), war ich ziemlich geschockt: Man konnte also anhand der EKG-Werte / Herz-Echo etc. nicht feststellen wie schlimm es also innerhalb der Herzarterien aussieht.

Ich hatte also echt Schiss vor der Untersuchung.

 

Die Mini-OP

Am nächsten Morgen war dann die Untersuchung.

Zunächst wurde der Arm und die Leiste von einer freundlichen Krankenschwester rasiert, je nachdem über welchen weg man den Herzkatheter legen sollte: Über den Arm oder die Leiste.
Was genau ein Herzkatheter ist, könnt Ihr hier nachlesen.
Heutzutage gehen wohl viele Ärzte über den Arm bzw. die Pulsader in die Gefäße, da es insbesondere für den Patienten im Nachgang angenehmer ist, da er nicht 6-12h liegen muss, um den Leisteneinschnitt verheilen zu lassen.
Am Arm bekommt man nur einen Druck/Quetsch/Klemmverband (aus Kunststoff), der dann alle 4h überprüft und gelockert wird.

Nachdem ich dann also mein OP-Hemdchen anziehen dufte ging es ab in den OP-Saal. Man lächelte mir zu, erklärt, das ich jetzt Heparin (ein Blutverdünner) gespritzt bekomme und der Arzt gleich komme.

Im Vorfeld hatte ich mich über die Risiken einer Herzkatheter erkundigt bzw. gab es ja dieses Beiblatt vor der OP zu unterschrieben, da aber meine beiden Eltern diese Untersuchung ohne jegliche Probleme bereits mehrfach überstanden hatten, machte ich mir keine allzu großen Sorgen. Eher davor, was das Ergebnis ist, also wie es wirklich in bzw. um mein Herz aussieht.

Der Katheter wurde dann über den linken Arm eingeführt (die Pulsader wurde punktiert) und ein Röntgengerät vor meiner Brust platziert. Über einen Schwarz-Weiß-Monitor konnte ich die „Mini“-OP verfolgen.
Schmerzen hatte ich keine, lediglich im Bereich der Schulter vernahm ich ein seltsames inneres Klopfen wenn der Katheter vor- und zurückgezogen wurde.

Der nette Arzt erklärte mir alles während er alle (Haupt-)Arterien an meinem Herzen untersuchte. Dabei wurde immer Kontrastmittel über den Katheter eingespritzt um mögliche Engstellen über das Röntgengerät und den ansgechlossenen Monitor sichtbar zu machen.
So war es dann auch: Eine Arterie war zu ca. 85-90% verschlossen, und zwar die sogenannte RIVA (Ramus interventricularis anterior), ein Hauptast der linken Koronararterie (LCA).

Ich fragte dann den OP-Arzt: „Und jetzt ? Setzen wir einen Stent ?“
„Genau.“ meinte dieser und es wurde in den Herzkatheter, der innen hohl ist, ein weiterer Katheter platziert, der vorne einen Ballon und darüber den Stent gezogen hat.
Mit viel Druck wird dann der Ballon aufgeblasen, der Stent somit in die Engstelle gepresst, und somit die Arterie wieder geöffnet.

 

Das Ganze nennt man dann Ballondilatation, oder PTCA (Perkutane transluminale koronare Angioplastie).

Auf dem Foto sieht man eine verengte Herzarterie, daneben dann die reparierte Arterie. Diese Dinge kann man während der OP auf dem Monitor mitverfolgen.

Beim Aufblasen des Ballons hatte ich ein Engegefühl in der Brust, so wie ich es auch beim Sport immer wieder erlebt hatte. Der Arzt hatte mich aber im Vorfeld darauf hingeweisen, dass es jetzt gleich für ein paar Sekunden zu diesem angina pectoris kommen kann. Klar, in dem Moment ist ja die Arterie so gut wie zu durch den Ballon.

Insgesamt ging die OP ca. 20 Minuten und verlief völlig unproblematisch.
Froh war ich, daß alles so gut geklappt hat und das wohl nur eine Arterie betroffen war, die anderen unauffällig waren (der Arzt meinte, man könne eine Verengung einer Arterie mit den gebotenen Mitteln erst ab 30% ausmachen).

Zufrieden und mit leichten Schmerzen an der punktierten Pulsader respektive dem wirklich heftig drückenden Verband, ging es zurück auf mein Zimmer.

 

Wieder zu Hause

Am dritten Tag meines Krankenhausaufenthalts wurde ich entlassen. Zuvor wurde allerdings noch ein Doppler gemacht: Dabei werden via Ultraschall die Halsarterien untersucht.
Auf der rechten Seite wurde dann die Ablagerung von weicher Plaque festgestellt, aber von einer wirklichen Verengung der Arterie (Carotisstenose genannt) war noch keine Rede.
Dennoch war ich ziemlich verunsichert, weil der behandelte Arzt auch meinte, ich bin ja ein Hochrisikopatient, und man müsse das weiter beobachten.
Meine blöde Arteriosklerose hatte sich also auch schon in anderen Gefäßen breit gemacht. Die Frage nach dem Woher? stellte sich mir immer wieder.

Medikamente

Um den Stent, bei dem es sich um einen sogenannten  medikamentenbasierten Stent (DES) handelt, damit das Risiko einer Thrombose vermindert wird, richtig einheilen zu lassen, sieht mein Therapie-Plan wie folgt aus:

– Kein Sport / keine Anstrengung die nächsten 4 Wochen
– Morgens 2,5mg Bisoprolol (Beta-Blocker)
– Morgens 75mg Clopidogrel (Thrombozyten-Hemmer)
– Morgens 100mg ASS (Thrombozyten-Hemmer)
– Abends 40mg Simvasatin (Cholesterinsenker)
– Abends 20mg Pantoprazol (gegen Magenschmerzen)

Das ist schon eine ganze Menge !
Insbesondere der Beta-Blocker macht mich nervös, weil ich ja seit über 40 Jahren mit Asthma lebe und dieses Medikament eine Kontraindikation zu meinen Asthma darstellt.  Auf dem Beipackzettel steht also, dass man Bisoprolol nicht einnehmen soll, wenn man an Asthma leidet, und auf dem Beipackzettel meiner Asthmamittel steht geschrieben, dass man diese bei einer koronaren Herzkranzerkrankung nicht verwenden darf.
Na super !

Da ich keine der typischen Ursachen für Arterienverkalkung habe, also kein Bluthochdruck und Übergewicht habe, viel Sport mache und auch  kein Diabetes oder zu hohen Cholesterin-Spiegel habe und auch Nichtraucher bin, war in der ärztlichen Diagnose und Krankenbericht immer von vererbt oder familiäre Vorbelastung die Rede. Okay, mein Vater hat 2 Stents, die er mit 60 Jahren bekommen hat, meine Mutter hat Herzrhythmusstörungen im Sinne von Vorhofflimmern. Beide leben aber relativ gesund und sind fit für Ihr Alter (beide über 75 Jahre).

Mit den Medikamenten will man also einerseits den Eingriff abheilen lassen, aber mich auch vor einem Infarkt bzw. weiterer Arteriosklerose schützen. Deswegen soll der LDL-Wert (hier erklärt) des Cholesterins auf unter 70 mg/dl gesenkt werden. Auf die nächsten Blutwerte bin ich gespannt.

Arbeiten oder nicht ?

Am Montag den 06.08 fuhr ich dann normal zur Arbeit um das alltägliche Arbeitschaos zu besiegen. Meine Kollegen waren alle sehr besorgt und ich musste mehrfach von der OP und dem Krankenhausaufenthalt erzählen.
Vormittags hatte ich dann allerdings noch einen Termin bei meiner Hausärztin, denn auch die wollte informiert werden, was genau im KKH passiert ist und mit mir die nächsten Schritte planen. Den Entlassungsbericht hatte ich dabei.

Meine (stets fürsorgliche) Hausärztin hat mir ganz klar gesagt, dass sie mich für diese Woche krank schreibt. So einen Eingriff müsse mal erst einmal verkraften, physisch wie psychisch.  Ich war erstaunt, aber es kam mir auch nicht ungelegen, zumal auch mein Arbeitgeber davon ausging, dass ich zunächst zu Hause bleibe, und ich mich so richtig fit (wie vorher) auch nicht fühlte.
Ich denke dass war eine sehr gute und weise Entscheidung, denn meine Psyche sollte mir noch ein paar Streiche spielen.

Erstmal Urlaub

Endlich ging es in den Urlaub. Wir fliegen nach Gran Canaria, 10 Tage Entspannung am Strand und Pool in einer schönen Apartment-Anlage.
Eigentlich sind wir eher Nordsee bzw. Norderney-Fans, aber unsere Tochter wollte unbedingt mal Mini-Disco machen. Und wir waren noch nie auf den Kanaren. Warum also nicht ?

Den Urlaub hatten wir schon letztes Jahr gebucht und geplant. Aber durfte ich so kurz nach dem Eingriff schon wieder fliegen ?
Ich rückversicherte mich bei meiner Hausärztin bzw. die klärte das mit dem behandelten Arzt der Klinik ab. Ja, ich darf fliegen !

Dünen von Gran Canaria

In den 10 Tagen Urlaub habe ich mich wirklich sehr erholt und nicht oft an den Stent und meine Herzprobleme gedacht. Ich konnte auch (leichten) Sport machen, die Sonne und den Pool genießen und lecker und viel (mediterran) essen.

 

Erholt kamen meine Familie und ich wieder zurück nach Deutschland.

 

 

 

Ängste

Nach dem Urlaub hatte mich der Alltag wieder, auch wenn ich es ruhiger angehen wollte. Das lief auch soweit ganz gut, aber immer wieder kamen mir schreckliche Gedanken vom baldigen Tod und der Angst zu sterben.

2-3 mal bin ich nachts schweißgebadet aufgewacht, mit Druck im Brustbereich. Was ist das jetzt ? Die Lunge (wegen Asthma), Sodbrennen (wegen der Blutverdünner) oder eben das Herz mit einer angehenden Stent-Thrombose  (dabei bildet sich ein Blutgerinnsel um den Stent und verstopft die Arterie – quasi wie ein Herzinfarkt) ?
Meine Frau hat mich glücklicherweise immer beruhigt, aber es gab auch Tage/Nächte wo ich alleine war, da war es echt schlimm.
Man fühlt sich hilflos, und der Körper hat die Kontrolle über einen übernommen. So soll es ja eigentlich nicht sein, sondern ICH möchte über meinen Körper bestimmen !
Wie soll das so weitergehen ? Was ist, wenn das Ziehen/Stechen/Zwicken wirklich vom Herzen kommt ? Sterbe ich bald ?

Und auch die Plaques in der rechten Halsschlagader machten mir Sorgen. Was wenn sich Teile davon lösen und die Blutgefäße verstopfen ? Dann habe ich ja gleich einen Hirnschlag. Kann ich so überhaupt Autofahren, wenn jemand dabei ist, wie z.B. meine süße Tochter ? Kann ich das verantworten, als Hochrisikopatient ?

Mir ging es echt nicht gut in diesen Tagen.

 

Buchtipp I

Da mich die ganze Sache mächtig beschäftigt, wollte ich zu dem Thema ein Buch lesen. Aber kein Sachbuch über koronare Herzerkrankung, sondern eher eine Erzählung oder Roman über das Thema „Wenn es bald vorbei wäre“.

Ich habe das Buch

Das Leben ist zu kurz für später: Stell dir vor, du hast nur noch ein Jahr

von Alexandra Reinwarth gefunden und gelesen.
Hier geht es darum, was man in seinem Leben machen oder ändern würde, wenn man nur noch ein Jahr zu Leben hätte.

Ich fand es sehr lesenswert !